Christian Putsch

Afrikas Hoffnungsträger der Jugend

Christian Putsch
Afrikas Hoffnungsträger der Jugend

In Uganda wird Langzeit-Autokrat Museveni unter höchst umstrittenen Um

ständen im Amt bestätigt. Doch sein Herausforderer Bobi Wine spricht offen von Manipulation – und weiss die Jugend hinter sich. Nicht nur im eigenen Land

Kampala – Gerade hat Bobi Wine seine Stimme abgegeben, nun sitzt der Mann, der Ugandas Langzeitpräsident Yoweri Museveni ablösen will, im Wohnzimmer seiner Villa. Über die Telefone anwesender Mitarbeitern erfährt er von Verhaftung von Anhängern, die Wines Partei „National Unity Platform“ (NUP) – wie gesetzlich zugesichert – an Wahlstationen als Beobachter platziert hatte. Die Behörden haben landesweit das Internet abgestellt, Wines Nummer wurde auch für Anrufe blockiert.

Es ist ein Moment der Ruhe vor Auseinandersetzungen mit der Armee, die auf dem Grundstück im Norden Kampalas wenige Stunden später beginnen werden. Die Stimmabgabe läuft noch. Der ohnehin schlanke Wine, 38, hat im brutalen Wahlkampf Gewicht verloren, wirkt müde. Er isst ein wenig, auf dem Fernseher läuft Wahlberichterstattung. Die Wände sind gepflastert mit Bildern seiner Karriere als regierungskritischer Reggae-Musiker, die ihm Bekanntheit und die Basis für seine Präsidentschaftskandidatur verschaffte. Daneben Aufnahmen seiner 4 Kinder, die er vor den Wahlen in die USA ausfliegen liess. 

„Die Lage ist schlimm“, sagt Wine, bürgerlicher Name Robert Kyagulanyi, als er zum Gespräch in den Garten bittet. „Unsere Koordinatoren werden verhaftet, bei einem kniete ein Polizist auf dem Nacken“, sagt der wohl gefährlichste Herausforderer in Musevenis Präsidentschaft, die seit 35 Jahren andauert. „Wir haben Berichte, denen zufolge die Armee neue Wahlunterlagen in die Wahlbüros gebracht hat. Das ist kein freier und fairer Wettbewerb, wir werden das nicht akzeptieren.“ 

Dutzende seiner Anhänger wurden in den vergangenen Monaten getötet, Museveni ging so aggressiv wie nie gegen die Opposition vor. Wine betont dagegen weiterhin, dass er „eine friedliche Bewegung“ anführe. Man plane Proteste ohne Gewalt sowie Klagen vor Gericht, obwohl diese von Museveni kontrolliert würden. Dieser „Diktator“, so Wine, tue alles, damit die Welt von der Unterdrückung nichts mitbekomme. Es sei an dieser Stelle jedoch erwähnt, dass die vor seinem Haus platzierten Polizisten mehrere Journalisten zu dem Kandidaten passieren liessen.

Nicht erst, als die Armee kurz nach dem Gespräch das Gebäude besetzte und Wine dessen Angaben zufolge unter Hausarrest stellte, war der Ausgang zu erahnen. Die Wahlkommission teilte am Samstag die offiziellen Ergebnisse mit, demnach kam Museveni auf 58.6% der Stimmen, Wine auf 34.8%. Der Herausforderer hatte schon von „einem Witz“ gesprochen, als sich das vermeintlich klare Ergebnis während der Auszählung abzeichnete. Im Vorfeld gingen 62% der Ugander einer Gallup-Umfrage zufolge von „nicht fairen“ Wahlen aus.

Besonders die junge urbane Bevölkerung drängt verstärkt auf politischen Wandel. Museveni ist mit 76 Jahren doppelt so alt wie Wine, nur jeder 5. Bürger war geboren, als er 1986 die Macht ergriff. Uganda ist mit einem Durchschnittsalter von 17 Jahren eines der extremsten Beispiele für den Altersunterschied zwischen den Bürgern Afrikas und ihren politischen Eliten. Nigerias Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka bezeichnet den eloquenten Kandidaten als Repräsentanten des „Spirits von Afrikas Zukunft“ –  die Wahlen in Uganda seien „richtungsweisend“ für Afrika. Weltweit amtieren nur 5 Staatsoberhäupter länger als Museveni, 3 davon in afrikanischen Ländern. Ugandas Präsident selbst bezeichnete Politiker, die zu lange im Amt bleiben, „als grösstes Problem Afrikas“. Diese Einsicht ist freilich Jahrzehnte her. 

Je jünger die Wähler, das zeigen die Umfragen, desto höher ist die Unterstützung für Wine. Das macht den Machterhalt mit jeder Wahl schwieriger für Museveni. Glaubwürdigkeit bezieht der Oppositionskandidat nicht zuletzt aus seinem Engagement für die Jugend des Slums Kamwokya, wo er aufwuchs. Dort gehört Wine ein Tonstudio. Er versteckt es nicht, auch wenn immer wieder Polizisten drohgebärend vorbeischauen: Ein überlebensgrosses Graffiti des Politikers prangt an der Fassade.

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Hinter einem Mischpult sitzt wenige Tage vor den Wahlen Dennis Jahson, 24, kurze Dreadlocks, leise Stimme. Die Schule, wo er sich den Klassenraum mit über 100 anderen teilte, hat der Producer abgebrochen. Einige Zeit hielt er sich mit Jobs in Fabriken über Wasser, seit 5 Jahren mischt er nun hauptberuflich Musik ab. Wine lässt Leuten wie ihn, die auf dem Arbeitsmarkt in Uganda kaum Perspektive haben, das Studio kostenlos benutzen. 300 Arbeitssuchenden hat er so eine Existenz aufgebaut. 

„Ohne ihn wäre ich auf der Strasse, er hat mir eine Chance gegeben“, sagt der in der Branche inzwischen etablierte Jahson, „Bobi ist ein Anführer und kein Herrscher, das ist ein Unterschied“, sagt er. Der „Ghetto-Präsident“ habe eine intelligente Vision für Uganda und werde die dringend nötigen Arbeitsplätze schaffen. Zweifel an seinem Sieg habe keiner. 

Uganda hat lange beachtliches Wirtschaftswachstum präsentiert, doch nach Angaben der Weltbank gehört die Nation zu den Ländern mit den höchsten Raten an Jugendarbeitslosigkeit Afrikas. Formelle Jobs gibt es nur wenige, an Orten wie Kamwokya ersehnen sie sich ein frisches Gesicht der Hoffnung an der Macht.

In diese Richtung äussern sich die Menschen in Kampala während Dutzender Gespräche für diese Recherche fast ausnahmslos. Dieser Eindruck ist allerdings mit Vorsicht einzuordnen, schliesslich lebt nur jeder 4. Ugander in Städten – die Urbanisierungsrate zählt zu den 10 niedrigsten in Afrika.

Und auf den Dörfern ist die Unterstützung für Museveni traditionell grösser als in den Städten. Im Dorf Tweyanze zum Beispiel, 70 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kampala gelegen. Hier kämpfte Museveni in den 1980er Jahren einen Guerillakrieg gegen Diktator Milton Obote. Nun erinnern die knietiefen Schlaglöcher an Musevenis gebrochenes Wahlkampfversprechen, die Infrastruktur seiner einstigen Unterstützergegend voranzubringen.  

 „Als ich ein Kind war, töteten Soldaten überall Menschen, auch Verwandte von mir“, sagt die Farmerin Robinah Nanyanzi, 45, „wir hungerten, unser Vieh wurde gestohlen. Als Museveni kam, konnte ich zurück zur Schule, er hat Uganda wiederaufgebaut.“ Wer unter den rund 700 wahlregistrierten Dorfbewohnern den Oppositionskandidaten Bobi Wine unterstütze, mache das wohl nur, weil er nicht genug über die dunkle Vergangenheit wisse.

Auf der Wiese hier halten viele der Farmerin offen entgegen, dass Museveni nun selbst Blut an den Händen hat. Dass er so lange an der Macht klebe. Und dass Landwirtschaft weiter die einzige Erwerbsquelle der Gegend ist, entgegen Musevenis Modernisierungsversprechen. 

„In unserem Dorf wählten früher fast alle Museveni“, sagt der Lehrer Ssennono Edward Kintu, 42, „jetzt denken viele, es ist Zeit für einen Wechsel.“ Aber so einfach sei das nun einmal nicht in Uganda.