Christian PutschComment

Afrikas erster schwuler Fußballprofi

Christian PutschComment
Afrikas erster schwuler Fußballprofi

In über der Hälfte der afrikanischen Länder ist Homosexualität illegal. Phuti Lekoloane ist der erste aktive Profifußballspieler auf dem Kontinent, der sich geoutet hat. Bereut hat der Torwart das nie, so manche Konsequenz ärgert ihn aber sehr wohl

Von Christian Putsch

Kapstadt – Öffentlich geoutet wurde Phuti Lekoloane vor drei Jahren auf Twitter. Ein anderer Fußballprofi nannte ihn auf dem Kurznachrichtendienst als Beispiel für einen schwulen Sportler. Abgesprochen hatte er den Beitrag nicht. Das Interesse war gewaltig, schließlich hatte sich in Südafrika, ja in ganz Afrika, noch nie ein männlicher Profispieler des Sports öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt. Plötzlich bekam Lekoloane Interviewanfragen, und längst nicht alle Reaktionen von Lesern waren positiv. 

Ob er wütend angesichts des Outings war? „Nein, das war ich nicht“, sagt der 26 Jahre alte Torhüter, „ich bin der Meinung, man sollte seine eigene Persönlichkeit feiern. Und ich habe aus meiner Homosexualität nie ein Geheimnis gemacht, das war schon als Jugendlicher klar.“ Der Spieler habe sich später entschuldigt. Lekoloane sagte nur: „Kein Problem.“

Er spielt in der dritten südafrikanischen Liga, für Tornado FC, dem Stolz eines Townships der Industriestadt East London. Ein Profi, wenngleich das Geld denkbar knapp ist. Kein Grundgehalt, nur Prämien. „Wir sind ein gutes Team, aber das Gehalt ist nicht gut“, sagt Lekoloane. Setzt es einige Niederlagen in Folge, fehlt schon mal das Geld für die einfachsten Einkäufe im Supermarkt. Der sprungkräftige Torhüter nimmt das in Kauf: „Ich glaube an mich, und ich glaube an meine Karriere.“

Er bestreitet diese Karriere ohne Versteckspiel. Das bedarf schon in Europa großen Mut. Auch fünf Jahre nach dem Outing des ehemaligen deutschen Nationalspielers Thomas Hitzlsperger gibt es in den großen europäischen Fußballligen keinen Profi, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt. Wenn überhaupt, dann kommt dieser Schritt wie bei Hitzlsperger nach der Karriere.

In Afrika ist der Einsatz noch höher als Europa. In 35 der 54 Länder ist Homosexualität nach Angaben der Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ illegal, in vier droht sogar die Todesstrafe. „In vielen afrikanischen Ländern ist es schon im Amateurfußball schwierig, sich zu outen“, sagt Kasha Nabagesera, eine der einflussreichsten LGBTQ-Aktivistinnen des Kontinents. In ihrer Heimat Uganda würden schwule Fußballer schon früh aus den Vereinen entfernt. 

Sie erzählt von ihrem Landsmann Patrick Mulyanti, der sich im Alter von 16 Jahren bei einem Jugendturnier in Schweden abgesetzt habe und inzwischen für einen Drittligisten spielt. Der Stürmer, der inzwischen in der dritten schwedischen Liga spielt, hat wegen seiner Homosexualität Asyl beantragt. Die Behörden haben den Antrag zuletzt abgelehnt, Mulyanti droht die Abschiebung.

Es seien nicht nur die Gesetze, die dafür sorgen würden, dass sich nur wenige zu ihrer Homosexualität bekennen würden. „Das hat mit unserem patriarchalen Gesellschaftssystem zu tun“, sagt Nabagesera, „wer sich outet, riskiert eine Menge. Die meisten entscheiden sich lieber, gemäß der gesellschaftlichen Erwartungen im Verborgenen zu leben.“

Südafrika hat seit dem Jahr 1994 in dieser Frage die liberalste Gesetzgebung. Hier können gleichgeschlechtlich liebende Paare heiraten und zusammen Kinder adoptieren. Bei den Olympischen Spielen 2016 gab es nur zwei Teilnehmerinnen aus Afrika, die sich zu ihrer Homosexualität bekannten. Beide, die Speerwerferin Stella Viljoen und die Läuferin Caster Semenya, kamen aus Südafrika.

Doch Intoleranz ist auch hier weit verbreitet. Beinahe die Hälfte der südafrikanischen Standesbeamten weigert sich, schwule Paare zu verheiraten. Besonders außerhalb der großen Städte erlebt auch Lekoloane immer wieder Intoleranz. An die spöttischen Rufe der Fans hinter seinem Tor hat er sich längst gewöhnt, auch von gegnerischen Spielern und Funktionären bibt es manchmal entsprechende Bemerkungen. „Sie versuchen halt alles, um mich aus der Ruhe zu bringen.“ Meist ohne Erfolg. Wie sein großes Vorbild, der Deutsche Marc-André ter Stegen („der beste Torwart der Welt“), hat er starke Reflexe und ist fußballerisch stark.

Irritierender wird es, wenn die Anfeindungen aus dem eigenen Team kommen. Bei seinem ehemaligen Verein in Johannesburg spielte er einst eine gute Saison, ein entscheidendes Spiel um den Zweitligaaufstieg aber ging mit 1:0 verloren. Am Gegentor war er machtlos, einer der Verteidiger führte die Niederlage vor versammelter Mannschaft jedoch darauf zurück, „dass wir eine Schwuchtel im Team haben“.  

Emotional schwer getroffen zog sich Lekoloane zurück, ließ den Tränen erst freien Lauf, als er alleine war. Er informierte schließlich den Trainer, der umgehend eine Teamsitzung einberief. Der Spieler entschuldigte sich, Lekoloane nahm an. „Damit war die Sache erledigt.“ Er betont, dass die überwiegende Mehrheit der Reaktionen unterstützend sei, besonders bei seinem neuen Verein. 

Erst vor einigen Wochen spielte Tornado FC gegen den Johannesburger Kultklub Kaizer Chiefs. Einige der Stars seien vor dem Anpfiff zu ihm gekommen und hätten ihn besonders freundlich begrüßt. Auf den Rängen schwenkten Anhänger eine Regenbogenfahne und hielten Plakate in die Höhe. Eine der Aufschriften: „Schwul oder nicht – Phuti ist ein Fußballspieler.“ 

Die Zivilgesellschaft in Südafrika hat in diesem Bereich Fortschritte erreicht, nachdem im Jahr 2008 die lesbische Frauennationalspielerin Eudy Simelane vergewaltigt und ermordet aufgefunden wurde. Bürgerrechtsorganisationen sahen damals Anzeichen dafür, dass es sich um eine so genannte „Korrekturvergewaltigung“ gehandelt habe, eine Vergewaltigung mit dem Ziel, dadurch die sexuelle Orientierung des Opfers zu ändern. Das zuständige Gericht sah dies bei der Verurteilung jedoch nicht als „signifikanten Grund“.

Trotz langsam zunehmender Toleranz bleibt Südafrika eine oft homophobe Gesellschaft. Im Laufe von Lekoloanes Karriere kam es mehrfach vor, dass Mitspieler nicht das Zimmer mit ihm teilen, oder die Dusche. „Aber natürlich gehe ich nach dem Training duschen, da hat keiner mehr ein Problem mit“, sagt Lekoloane, den seine Freunde Minaj nennen – den Spitznamen verdankt er seiner Verehrung der Rapperin Nicki Minaj.

Torwart Phuti Lekoloane beim Abstoß (2017)

Torwart Phuti Lekoloane beim Abstoß (2017)

Lekoloane hat es nie bereut, sich geoutet zu haben. Aber es gab Momente, während der er sich über die Konsequenzen geärgert hat. So wie beim Probetraining bei einem Zweitligisten vor einigen Jahren. Er hatte einen guten Tag erwischt, nach der Einheit aber fragten die Spieler, ob er schwul sei. Lekoloane bestätigte das ohne Zögern. „Das ist okay, aber wir wollen Dich nicht im Team“, sagte einer. Er bekam keinen Vertrag.

Der Torwart ist niemand, der an solchen Situationen zerbricht. Er akzeptiert sich, wie er ist. Das sei das wichtigste, sagt der Sportler. Auch Familie und Freunde unterstützen ihn bedingungslos. Sein Vater fragte ihn sogar, wann er denn endlich mal seinen Freund vorstelle. Lekoloane lacht. Er sei Single, erklärt er, im Fußball sei er derzeit besser als im Führen ernsthafter Beziehungen. Doch er sagt auch: „Meine Homosexualität hat meine Karriere gebremst.” Darüber sei bei Probetrainings so kontrovers geredet worden, dass seine Leistung kaum mehr wahrgenommen worden sei.

Er kennt mehrere schwule Spieler in Südafrikas Top-Liga. Keiner von ihnen erwäge ein Outing, sagt Lekoloane. „Sie haben zu viel zu verlieren – Verträge, Sponsoren, die Unterstützung der Fans.“ Vor einigen Jahren gewannen die Orlando Pirates den Nedbank Cup, einen der wichtigsten Titel des Landes. Einer der Spieler postete ein Foto, bei der Spieler nackt mit der Trophäe posierten. Ein gewöhnliches Umkleidefoto, auf dem nicht einmal Anstößiges zu erkennen war. Doch der öffentliche Aufschrei der prüden Gesellschaft war gewaltig. Am Ende sah sich einer der Stars zu der Klarstellung veranlasst, dass es bei dem populären Verein keine schwulen Spieler gebe.

Es sei halt noch ein weiter Weg bis zur vollständigen gesellschaftlichen Akzeptanz, sagt Lekoloane. In den kommenden fünf Jahren glaube er nicht an das Outing eines südafrikanischen Nationalspielers. „Vielleicht in zehn Jahren. Aber sicher bin ich mir da nicht.“