Kampf den weißen Models
Ab Oktober darf in Nigeria nicht mehr mit ausländischen Gesichtern geworben werden. Damit sollen Wirtschaft und Identität gestärkt werden. Doch das Echo auf das Verbot ist gemischt
Der Werbespot war schon fertig produziert, die Crew abgereist, da schritten die Behörden in Nigeria ein. Die Schauspieler würden kongolesische anstelle von nigerianischer Kleidung tragen, hieß es, das könne so nicht ausgestrahlt werden. Also beorderte Produzent Fabian Oraegbu das Team zurück zum Drehort in Kapstadt, drehte einige Szenen nach. Diesmal mit dem patriotischen Outfit, das den Ordnungshütern in Nigeria schließlich genehm war.
Oraegbu, 40, seit knapp zwei Jahrzehnten im Geschäft, ist also einige Schikanen im Namen von nigerianischem Patriotismus gewöhnt. Zumal er von Südafrika aus für den nigerianischen Markt produziert, was von der Politik prinzipiell nicht gerne gesehen wird. Doch das neueste Konstrukt der nigerianischen Regierung überrascht dann doch selbst ihn.
Ab dem 1. Oktober gilt laut offizieller Verlautbarung ein Verbot für die „Verwendung ausländischer Models und Sprecher für jegliche Werbung, die auf der nigerianischen Werbefläche ausgerichtet oder gezeigt wird“. Für in Nigeria verkaufte Produkte sollen künftig ausschließlich Nigerianer planen – ungeachtet der Tatsache, dass in dem mit 211 Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Land Afrikas ein Großteil der Waren importiert wird.
Das Nachrichtenportal „Yahoo“ berichtet, es handele sich um das weltweit „erste Verbot weißer Models“, der TV-Sender „Al Jazeera“ vermeldet, Nigeria wolle „die Überrepräsentation weißer Models stoppen“. Steve Babaeko, Präsident der nigerianischen Werbeagenturen-Vereinigung, teilt mit, dass rund die Hälfte der in seinem Land gezeigten Models britisch seien, das gleiche gelte für die verwendeten Sprecher. Nigeria erlebe nun eine Renaissance, beteuerte Babaeko, „einen neuen Stolz“ unter jungen Menschen.
Letzteres klingt erst einmal positiv, zumal in Nigeria so mancher den westlichen Einfluss mit einem gesundheitsschädlichen Trend in Verbindung bringt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation verwenden 70 Prozent der Frauen hautaufhellende Produkte, mehr als in jedem anderen Land der Welt – was ein großes Krebs-Risiko darstellt. Anders als etwa in Ruanda, Kenia oder Uganda ist der Verkauf dieser Cremes in Nigeria nicht verboten.
Das neue Verbot trifft aber in erster Linie Models aus anderen afrikanischen Ländern, die mit Werbung im vergleichsweise wirtschaftsstarken Nigeria ihr Geld verdient haben, sagt Produzent Oraegbu. „Ich kann zum Beispiel niemanden aus Kamerun einsetzen“, sagt er. Produktionen im Ausland seien fast völlig unmöglich geworden, weil dort nicht ausreichend nigerianische Models zur Verfügung stünden.
Ein Dreh in Nigeria aber koste das Vielfache: „Es fehlt an Material und Fachpersonal, oft auch am Strom.“ Zudem verbiete die Regierung den Einsatz von Devisen weitgehend, die strikten Maßnahmen zum Schutz der schwächelnden Naira-Währung würden Produktionen noch mehr verteuern. Die Mehrkosten würden an die Werbekunden weitergegeben – und schließlich an den Endkunden. Ein weiteres Beispiel für die lange Liste überhasteter Gesetze von Präsident Muhammadu Buhari, der vor einigen Jahren bereits schlagartig den Import von dringend benötigtem Reis verboten hatte, um die eigene Wirtschaft anzukurbeln.
Doch es gibt auch Befürworter der neuen Gesetze. Das Model Celine Peter zum Beispiel. „Einige Werbetreibende verwenden weiße Models als ihre hochbezahlten Hauptfiguren, während sie Nigerianer für die schlecht bezahlten Nebenrollen einsetzen“, sagt sie. Viele Models hätten den Beruf deshalb aufgegeben. Auch sie selbst hat sich ein zweites Standbein aufgebaut – und gehört inzwischen selbst zu den Produzenten der umstrittenen Bleichcremes. „Models wollen bleichen, weil die Werbung generell helle Hautmodels bevorzugt“, sagt sie.
Für Laide Almaroof, der seinen Lebensunterhalt als Sprecher verdient, sind aber derartige Aussagen Teil des Problems. „Viele Frauen bleichen, weil ihnen gesagt wird, dass die Kameras für helle Haut gemacht sind“, sagt er. Für ihn komme das einer Gehirnwäsche gleich. „Manchmal erkennt man die Frauen kaum wieder, wenn man sie bei der nächsten Produktion trifft, weil ihre Haut so viel heller geworden ist.“
Auch der Anti-Tabak-Aktivist Akinbode Oluwafemi sieht negative ausländische Einflüsse. Werbung spiegele oft das vermeintlich extravagante Leben der Menschen im Westen wider. „Wir haben viele erfolgreiche Anzeigen für Produkte gesehen, die die Jugend ansprechen, wie Tabak und Alkohol in Nigeria, weil sie den westlichen Lebensstil zeigen“, sagt Oluwafemi. Das werde durch den Einsatz westlicher Musikgruppen in den Werbespots zusätzlich verstärkt. Das verstärke bisweilen auch den Wunsch, auszuwandern, besonders während der Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre.
Selbst die Art und Weise, wie Nigerianer sprechen, habe sich verändert, sagt Oluwafemi. „Viele Nigerianer wollen einen ausländischen Akzent. Im Radio und Fernsehen täuschen sie einen britischen oder amerikanischen Akzent vor.“ Nigerianer, die aus dem Ausland zurückkehren, würden ihren Akzent ändern, um zu zeigen, dass sie im Ausland gelebt haben. Der neue Fokus auf lokale Kräfte sei eine sinnvolle Verordnung.
So denken längst nicht alle. Für den arbeitslosen Akademiker John Omosanya sollte die Priorität der Regierung viel eher auf den wahren Schlüsselproblemen liegen. „Wenn die Regierung wirklich patriotisch wäre, würde sie das in anderen Bereichen beweisen“, sagt er. Nigerianische Politiker sind bekannt dafür, sich in ausländischen Krankenhäusern behandeln zu lassen und ihre Kinder auf ausländische Schulen zu schicken. „Sie müssen anfangen, lokale Einrichtungen aufzubauen“, sagt Omosanya.
Er spricht über die Milliardenkorruption der Ölindustrie, illegale Transfers ins Ausland, die Luxussucht von Beamten. „Angesichts der im nächsten Jahr bevorstehenden Wahlen wissen wir, wo das Problem liegt“, sagt Omosanya, „niemand sollte ausländische Models und Sprecher zu Sündenböcken machen.“