Wenn Ruanda Arsenal sponsert
Seit dieser Saison ist Ruanda Trikotsponsor von Arsenal London, einem der reichsten Vereine der Welt. Das Land will seinen Tourismus fördern und Stereotype brechen, steht als Bezieher von Entwicklungshilfe aber wegen des Deals in der Kritik
Von Christian Putsch
Kigali – Ruandas Arsenal-London-Fan Nummer eins sitzt auf der Tribüne und grantelt. Jean-Marie Mukasa hat als Vorsitzender ein Freundschaftsspiel des offiziellen Fanklubs des Premier-League-Vereins in der Hauptstadt Kigali organisiert. Gegner sind Ruandas Anhänger des FC Liverpool. 0:3 steht es zur Halbzeit. „Die haben Erstligaspieler mitgebracht“, grummelt Mukasa. Dann zeigt er auf einen seiner Akteure, seinen Stellvertreter, über dessen Bauch sich das Arsenal-Trikot spannt. „Einige unserer Spieler sind sehr alt – hätten wir das gewusst, hätten wir auch Profis geholt.“
Fußball ist nun einmal eine ernste Angelegenheit in Ruanda, in diesen Tagen besonders. Das liegt an den Ärmeln der Arsenal-Shirts, wo seit dieser Saison auf rosafarbenem Hintergrund die Aufforderung „Visit Rwanda“ zu sehen ist – besucht Ruanda. Drei Jahre lang wird das Entwicklungsland den Arbeitgeber des ehemaligen deutschen Nationalspielers Mesut Özil sponsern – und damit eine außerordentlich prestigeträchtige Werbefläche belegen. Arsenal London ist trotz zuletzt überschaubarer Erfolge nach Einschätzung des Beratungsunternehmens „KPMG“ der sechstwertvollste Fußballverein der Welt.
Das Geschäft sorgt für Irritationen, schließlich besteht das Staatsbudgets Ruandas trotz seines beachtlichen Wirtschaftsaufschwungs noch immer zu 17 Prozent aus Entwicklungshilfe. Offiziell ist der Preis für das Sponsorenpaket nicht bekanntgegeben worden, der Marktwert beträgt basierend auf Verträgen ähnlich bekannter Vereine wie Chelsea FC oder Manchester City aber wohl rund 33 Millionen Euro – also elf Millionen Euro pro Jahr.
Das hatte besonders in England für Irritationen gesorgt, das in diesem Jahr knapp 64 Millionen Euro Hilfsgelder an Ruanda zahlt. In Deutschland, das jährlich für rund 26 Millionen Euro Projekte unterstützt, stellte die rechtspopulistische Oppositionspartei „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine entsprechende Anfrage. Die Bundesregierung antwortete, dass die Mittel „zweckgebunden für spezifische Projekte“ bezahlt würden und die Haushaltsplanung „grundsätzlich nicht Gegenstand der Regierungskonsultationen“ sei.
Allerdings kann man heraushören, dass das Thema zur Sprache gebracht wurde. „Grundsätzlich wäre es jedoch zu begrüßen, wenn Werbung für eines der ärmsten Länder der Welt mit einem niedrigen Human Development Index durch Sponsoring auch durch einen wichtigen Anteil des Werbeträgers finanziert würde“, heißt es in Bundestagsdrucksache 19/2766. „Auch in Ruanda“ sei es Praxis der Geberländer, wichtige haushaltspolitische Entscheidungen zu thematisieren.
Nach Angaben der zuständigen Entwicklungsbehörde „Rwanda Development Board“ (RDB) wird die Investition ausschließlich aus Tourismuseinnahmen generiert und soll einen wichtigen Beitrag leisten, das Land vom lähmenden Armutsetikett zu befreien. „Entweder, die Kritiker dieser Vereinbarung wünschen sich, dass Ruanda arm bleibt, oder sie verstehen nicht, dass in jedem Geschäft Marketing Teil der Geschäftsausgaben sind“, betonte die RDB-Vorsitzende Clare Akamanzi auf „Twitter“. Man zahle auch weniger als die kolportierten 33 Millionen Euro, gab sie via „CNN“ bekannt.
Doch seit der spanische Spitzenverein Atlético Madrid im Jahr 2013 auf der Brust für das für Menschenrechtsverletzungen bekannte „Land des Feuers“ Aserbaidschan warb, gab es wohl keinen Aufruhr dieser Dimension bei einem Sponsorendeal. Engagement aus Afrika in der Premier League ist nicht neu. Das kenianische Sportwetten-Unternehmen „SportPesa“ hat bereits die Vereine Hull City und Everton gesponsert, aber das waren eindeutig privatwirtschaftlich generierte Gelder. Im Fall Ruanda stellt sich dagegen die Frage: Darf ein Land, das Entwicklungshilfe bezieht, mit vielen Millionen einen der reichsten Vereine der Welt unterstützen?
Auf der Tribüne kann Arsenal-Fan Mukasa die Aufregung nicht verstehen. „Entscheidend ist doch, dass dafür keine Entwicklungshilfe verwendet wurde“, sagt er, „das ist ein guter Deal, die richtige Plattform, damit Ruanda als attraktives Tourismusziel wahrgenommen wird. Dieser Sektor ist bereits sehr gewachsen.“ Der Deal habe Ruanda als eines der sichersten Länder Afrikas in den Fokus gebracht, sagt Mukasa.
Die englische Premier League ist in Ruanda populärer als die eigene. In den neunziger Jahren setzte die Liga – mit Hilfe der zunehmenden Verbreitung des Satelliten-Fernsehens – weit aggressiver auf die Vermarktung in Afrika als europäische Konkurrenten wie die Bundesliga. „In Ruanda wurde lange vor allem französischer und italienischer Fußball gezeigt – aber plötzlich dominierte die Premier League“, sagt Mukasa.
Damals dominierte Arsenal mit attraktivem Offensivspiel und hatte mit Patrick Vieira, Ian Wright und Thierry Henry auch mehrere dunkelhäutige Weltklassespieler. „Seitdem ist Arsenal eindeutig die Nummer eins in Ruanda“, glaubt der Unternehmer. Die „BBC“ bezeichnete den Verein im Jahr 2015 als den beliebtesten Verein in Ostafrika, im Westen liege Chelsea vorne, im Süden Manchester United.
Präsident Paul Kagame ist jedenfalls meinungsstarker Arsenal-Fan, der die Vereinsentscheidungen regelmäßig auf Twitter kommentiert. Fußball und Politik sind in dem ostafrikanischen Binnenland traditionell eng miteinander verknüpft. Der einheimische Serienmeister „Armée Patriotique Rwandaise Football Club“ (16 Titel) gehört dem Verteidigungsministerium.
Die Regierung betont, dass Kagames persönliche Präferenz keine Rolle gespielt habe. Vielmehr würden pro Tag weltweit 35 Millionen Menschen das Arsenal-Trikot und damit den Ruanda-Schriftzug sehen, teilt das RDB auf Anfrage mit. „Wir bekommen weltweite Aufmerksamkeit bei Spielen, durch die Interviews und eine große Reihe anderer Marketingrechte.“ Das rohstoffarme Land sieht Tourismus als wichtigen Wirtschaftssektor an. Er macht 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus und ist mit 132.000 Jobs einer der wichtigsten Arbeitgeber.
Die Zahl der Besucher stieg nach Angaben des Tourismusministeriums von 926.000 im Jahr 2015 auf 987.000 im Jahr 2016, was zusätzliche Einnahmen in Höhe von 55 Millionen Euro generiert habe. Für die Refinanzierung des TV-Deals wäre auf dieser Rechnung basierend ein jährliches Plus von rund 12.400 Besuchern nötig. Hinzu kommt die Signalwirkung auf Investoren, denen die Vereinbarung zeigen soll, dass Ruanda längst mehr als ein Land der Armut ist. Vor Kurzem eröffnete hier Volkswagen ein Montagewerk, in dem pro Jahr 1000 in Einzelteilen angelieferte Fahrzeuge zusammengeschraubt werden sollen.
Der Erfolg einzelner Marketingmaßnahmen ist schwer messbar. Sponsoring-Pakete der Premier-League sind zunehmend in der Tourismus-Branche beliebt. Der FC Fulham warb für Florida, der FC Liverpool für den karibischen Inselstaat Barbados. Dort vermeldet man, dass im Jahr 2017 die Zahl der Touristen im Vergleich zum Jahr 2014 um rund 20 Prozent gestiegen seien – über ein Drittel der 625.000 Besucher kämen aus England. Doch die Kosten sind längst nicht so hoch wie im Fall des Trikot-Deals von Ruanda.
Man kann berechtigt die Frage stellen, ob der durchschnittliche Arsenal-Fan die geeignete Zielgruppe ist. Ruanda hat sich mit Erfolg vor allem im mittel- bis hochpreisigen Tourismus platziert. Wer zum Beispiel die weltberühmten Gorillas des Landes sehen will, der bezahlt pro Person eine Gebühr von 1300 Euro – sie wurde in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt.
In Kigali ist Oberfan Mukasa inzwischen gnädiger gestimmt – sein Team hat gerade den ersten Treffer erzielt. „Alles verdient eine Chance“, sagt er, „wir sind daran gewöhnt, dass unsere Regierung die Dinge anders als alle anderen macht, egal ob es daran Kritik gibt.“ Oft würde sich das auszahlen.