Schutz vor Wilderern - und dem Coronavirus?
In Südafrika kämpft eine eigentlich für den Nashorn-Schutz aufgebaute Spezialeinheit gegen Wilderer von Schuppentieren. Zuletzt vermuten chinesische Wissenschaftler, Pangoline könnten bei der Übertragung des Coronavirus auf den Menschen eine Rolle gespielt haben. Daran gibt es Zweifel, doch das Schicksal der unscheinbaren Tiere ist endlich auf der Agenda
Der entscheidende Durchbruch kommt nicht bei den endlosen Patrouillen am Rande des Krüger Nationalparks. Nicht dank der Nachtsichtgeräte und der Sensoren, mit denen die Schritte von Wilderern erfasst werden können. Oder den Straßensperren, bei denen Spürhunde zum Einsatz kommen.
Es ist ein schlichter Anruf am vergangenen Mittwoch. Ein Informant ist dran, ihm sei ein Pangolin angeboten worden. 90.000 Rand, umgerechnet rund 5100 Euro. Ein Schnäppchen. Die Wilderer hatten als Beleg ein Whatsapp-Video geschickt: Das seltene Schuppentier versucht verzweifelt, aus einem Haus zu flüchten. Gelächter im Hintergrund.
Dylan Barkas reagiert sofort. Der Koordinator der Spezialeinheit “Hemmersbach Rhino Force” weiß, dass jetzt jede Minute zählt. Wenn möglich, nimmt die Polizei in der Gegend die Ranger für Verhaftungen hinzu. Doch der Tatort, die Stadt Marble Hall, ist 350 Kilometer vom Hauptquartier in Hoedspruit entfernt. Das bedeutet vier Stunden Fahrt – zu weit, um zu warten. Barkas berät die Strategie mit dem Chef der Station. Zivilpolizisten werden scheinbar auf den Kauf eingehen. Und dann zugreifen.
Marnus du Plessis, einer der besten Männer dieser 18 Mann starken Einheit, springt trotzdem in einen der Geländewagen. Für den Zugriff wird er zu spät kommen, aber er erhofft sich von den Tätern Hinweise auf die Hintermänner. Bis vor einigen Jahren gehörte du Plessis der südafrikanischen Armee an, war Teil der UN-Mission im Kongo. Nun riskiert der vollbärtige 29-Jährige sein Leben für Nashörner – und die weit weniger bekannten Pangoline. Zwölf Verhaftungen von Wilderern der unscheinbaren Schuppentiere gelangen dem Team im Jahr 2019, acht Pangoline konnten gerettet werden. Während das Schicksal der vom Aussterben bedrohten Nashörner die Schlagzeilen bestimmt, wurden die nicht weniger gefährdeten Insektenfresser weitgehend unbemerkt zu den am meisten geschmuggelten Tieren der Welt.
Die Schuppen werden, ähnlich wie das Horn des Nashorns, für traditionelle Medizin verwendet. Das Fleisch gilt zudem in einigen asiatischen Ländern als Delikatesse. Erst im Januar wurden in Nigeria Schiffscontainer mit rund zehn Tonnen Schuppen beschlagnahmt, die illegal nach Asien gebracht werden sollten. Dort werden sie als teures Wundermittel vermarktet, das von Rheuma bis zur Impotenz so ziemlich alles heilen kann. Ein irrsinniges Massensterben, denn einen nachgewiesenen medizinischen Nutzen gibt es nicht.
Derartige Meldungen blieben bislang eine Randnotiz. Bis zur Corona-Epidemie. Im Februar berichtete Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua von einer möglichen Verbindung zum Pangolin. Wissenschaftler der „South China Agricultural University“ hatten einen Virus in einigen Exemplaren gefunden, der mit dem Coronavirus nahezu identisch sei. Das eigentlich für den Menschen harmlose Schuppentier könnte in der Übertragungskette des Virus auf den Menschen, die wahrscheinlich mit Fledermäusen begann, als Zwischenwirt gedient haben.
An dieser These zweifeln inzwischen mehrere namhafte internationale Experten. Selbst einer der beteiligten chinesischen Wissenschaftler musste eingestehen, dass die Genome der untersuchten Viren nicht wie berichtet zu 99 Prozent, sondern nur zu rund 90 Prozent mit Covid-19 übereinstimmten. Nicht genug für eine Übertragung, zumindest nicht in den vorliegenden Pangolinen aus Wuhan.
Das endgültige Urteil zur Frage der Übertragung steht noch aus, aber die Tiere sind in der öffentlichen Debatte präsenter denn je. „Die Rache der Pangoline“, schrieb die NY Times am Donnerstag. Und Chinas Regierung verspricht, endlich mit Nachdruck gegen den auch in China offiziell verbotenen, aber oft geduldeten Handel mit gefährdeten Tieren vorzugehen. Die Märkte wurden geschlossen, der Konsum dieser Tiere solle „eliminiert“ werden. „Wir können nicht länger gleichgültig sein“, sagt Präsident Xi Jinping. Eine späte Erkenntnis.
Vorerst ist der Schmuggel erschwert. In den vergangenen Monaten sank die Zahl der gewilderten Nashörner und Pangoline in der riesigen Gegend, die von „Rhino-Force“ überwacht wird. Das liegt an den verstärkten Schutzmaßnahmen, womöglich aber auch an den wegen des Coronavirus zumindest kurzfristig verkomplizierten Exportmöglichkeiten nach Fernost. Es gibt schließlich kaum noch Flüge nach China.
Lukrativ aber, daran besteht kein Zweifel, bleibt der Handel mit den geschützten Tierarten. Die Bosse haben oft große Häuser inmitten verarmter Dörfer, kaufen Busse oder Kneipen für die Geldwäsche ihres schmutzigen Gewerbes. In den Jahren 2018 und 2019 wuchs besonders das Geschäft mit den Pangolinen. Die Schuppen werden von Südafrika ins strukturschwache Nachbarland Mosambik gebracht, wo sie falsch deklariert werden, berichten die Ranger. Von dort wird die Ware nach Kenia und schließlich China transportiert.
Auf der von Schlaglöchern zersiebten Landstraße nach Marble Hall kommt der nächste Anruf. Der Zugriff ist gelungen, bei der vermeintlichen Geldübernahme wurde der Wilderer verhaftet – das Pangolin war im Kofferraum. Tierärzte seien bereits unterwegs, um das hochsensible Tier abzuholen. Die Zeit eilt, oft sterben Pangoline an Stress. Selbst wenn sie wieder aufgepäppelt sind, ist die Rückkehr in den natürlichen Lebensraum schwierig. Ihre Ernährung ist auf die Insekten der Gegend abgestimmt, in der sie aufgewachsen sind.
Manchmal lebt und patrouilliert du Plessis wochenlang im Busch auf der Suche nach Wilderern. Die entscheidende Arbeit aber findet wie jetzt oft fernab der Tatorte statt. Über Jahre hinweg hat die Spezialeinheit ein Netz aus Informanten aufgebaut. So wurden auch zahlreiche Schusswaffen sichergestellt, die für die Nashornjagd beschafft worden waren. Auf einen Ranger, der diesen Geheimdienst betreute, wurde deshalb von einem Syndikat ein Kopfgeld in Höhe von umgerechnet 5000 Euro ausgesetzt.
Die Spezialeinheit ist für die Verbrecher eine echte Gefahr. Die Ranger in Südafrika werden vom deutschen IT-Dienstleister Hemmersbach betrieben, der ein Fünftel seines Profits in die Bekämpfung ökologischer und sozialer Missstände investiert. „Rhino Force“ hat deshalb weit modernere Technologien als die staatlichen Kräfte und hängt nicht von den Zahlungen einzelner privater oder Wildschützer ab. Die Einheit agiert also unabhängig und örtlich flexibel.
Dabei gehen die Ranger, die derzeit eine Spermienbank für Nashörner aufbauen, zuweilen unkonventionelle Wege. In Mosambik machten sie einige der Drahtzieher ausfindig, suchten das Gespräch. Das Agrarland der Gegend war völlig überweidet, viele junge Männer sehen Wilderei als einzige Versorgungsmöglichkeit – nicht zuletzt für die Witwen der 400 Wilddiebe, die bei Kämpfen mit Sicherheitspersonal der Parks erschossen wurden. Hemmersbach hat nun ein Projekt in Mosambik gestartet, bei dem Agrartechniken geschult werden.
Ankunft an der Polizeistation, es ist schon dunkel. Der Pangolin-Dieb steht in einer engen Zelle, ein junger Mann in Flipflops, T-Shirt und Jogginghose. Er stellt sich als Jappie vor. „Ich wusste nicht, dass ich etwas Falsches gemacht habe“, behauptet er. Ein Freund habe das Tier beim Hüten von Eseln gefunden. Er selbst habe lediglich bei der Suche nach einem Käufer geholfen, vor allem bei traditionellen Heilern angefragt – den Sangomas.
Eine durchaus glaubwürdige Darstellung. Am Vortag war du Plessis zu einem Sangoma namens „Dr. Sugar“ gefahren. Aufklärungsarbeit. Die in ländlichen Gegenden einflussreichen Heiler verwenden immer wieder gefährdete Tiere. Dr. Sugar hatte eine Flasche mit weißem Pulver hervorgekramt und gab zu, darin zermalmtes Pangolin-Hirn aufzubewahren. Er verabreiche es Patienten mit Herzproblemen, lasse aber die Finger vom Fleisch und den Schuppen. Davon werde man krank.
Jappie sagt, man habe den Plan letztlich geändert. Er sei an zwei Simbabwer geraten, die berichteten, Pangoline für jeweils über 10.000 Euro an Inder und Chinesen verkauft zu haben. Daraus wurde dann aber zwei Tage lang nichts. Er sei nervös geworden und machte den einen Anruf zu viel. Es hatte sich im Ort rumgesprochen, dass eines der seltenen Tiere angeboten wurde.
Du Plessis macht sich Notizen, notiert sich die Telefonnummer des Mannes, der ein kleiner Fisch in diesem Geschäft ist. „Lange wird er wohl nicht einsitzen“, sagt der Ranger, „wenn überhaupt.“ Möglich sind für das Vergehen bis zu 14 Jahre Haft, mehr als fünf Jahre gab es für Pangolin-Schmuggel nie, oft bleibt es bei einer Geldstrafe. Der Ranger hofft, dass ihn der junge Mann nach seiner Freilassung zu den offenbar bestens verknüpften Simbabwern führen kann. Denn die Hintermänner, die wirklichen Profiteure des Geschäfts, landen nur selten vor Gericht. „Das“, murmelt du Plessis grimmig, „wird sich bald ändern.“