Christian Putsch

Südafrika entdeckt seinen Chuck Norris

Christian Putsch
Südafrika entdeckt seinen Chuck Norris

Ein südafrikanischer Sicherheitsmann verteidigt einen Werttransporter gegen eine ganze Schar von Verbrechern – und wird nun im Internet humorvoll als Konkurrenz für den Action-Tausendsassa Chuck Norris gefeiert. Dabei gehen längst nicht alle derartige Angriffe in Südafrika glimpflich aus

Wie seine Heldentat im Internet gelandet ist, das weiß der Südafrikaner Leo Prinsloo bis heute nicht. „Wenn ich das Video hochgeladen hätte, wäre ich wohl ein reicher Mann“, sagt der Sicherheitsexperte. Er war Ende April von Überwachungskameras gefilmt worden, wie er eine ganze Verbrecherbande in die Flucht schlug. 

Der 52-Jährige hätte aus Sicherheitsgründen gerne darauf verzichtet, dass die Aufnahmen öffentlich wurden. Als sie aber binnen weniger Tage alleine auf Youtube über 50 Millionen Mal angeklickt wurden, entschied er sich, die plötzliche Berühmtheit zu akzeptieren. Und die Morddrohungen zu ignorieren. „Du wirst dafür bezahlen“, heißt es in einer SMS, die der Sicherheitsexperte Leo Prinsloo vor einigen Tagen erhielt. Ein Gruß der Gang offenbar, deren Überfall auf einen Werttransporter der 52-jährige Fahrer vereitelt hatte. „Man kann sein Leben nicht in Angst verbringen“, sagte Prinsloo am Telefon.

Mehrere Kameras in Prinsloos gepanzertem Wagen hatten festgehalten, wie er und sein Kollege Lloyd Mtombeni Ende April von Angreifern aus 3 Fahrzeugen beschossen worden waren. Tagsüber, bei voller Fahrt auf einer Autobahn in Südafrikas Hauptstadt Pretoria. Die beiden Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes waren die Eskorte für einen Kleinlaster mit Mobilfunkgeräten im Wert von Zehntausenden Euro, drängten die Angreifer ab und attackierten sie schließlich. „Wenn jemand auf dich schießt, kannst du nicht mehr viel nachdenken“, sagte Prinsloo, „man kann dann nur hoffen, dass der Instinkt übernimmt. Dass sich Training und Erfahrung auszahlen.“ An diesem Tag sei es gut ausgegangen.

Südafrikanische Medien vermelden seitdem übereinstimmend: Das Land hat seinen eigenen Chuck Norris. Einer, der die kultigen Actionstunts des Hollywood-Veteranen alt aussehen lässt. Und das im äußerst realen Kampf gegen das in Südafrika weit verbreitete Verbrechen.

Das bestimmt Prinsloos Berufsleben seit Jahrzehnten. Lange gehörte er zu einer Spezialeinheit der Polizei, im Jahr 2004 verabschiedete er sich wie so viele Polizisten und Soldaten des Landes in den Sektor der privaten Sicherheitsdienste. Anders als seine Auftraggeber rüsten manche Wettbewerber ihre Leute nicht ausreichend aus, werfen sie regelrecht „den Wölfen vor“, wie er sagt. „Oft sind die Täter aktuelle oder ehemalige Polizisten oder Soldaten – oder sie haben Verbindungen zu Polizei und Armee.“ 

Prinsloo, der nebenbei einen Schiessstand betreibt, erwies sich als ebenbürtiger Gegner. Er bewirbt seine Dienste als Fachmann für Schutzleistungen aller Art mit Referenzen wie Nelson Mandela und Prinz Charles. Als weit gefährlicher aber erweist sich in Südafrika die Eskortierung wertvoller Waren. Besonders die von Bargeld, ebenfalls eine der Spezialitäten Prinsloos. Er bildet Mitarbeiter der Branche aus.

So unterhaltsam das Video auch von Youtubern aufbereitet wird, so ernst ist doch der Hintergrund. Im Jahr 2020 stieg die Zahl der Überfälle auf Geldtransporte um fast ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr, dabei starben 19 Sicherheitsleute. Erst vor wenigen Tagen gab es einen weiteren Toten bei einem derartigen Überfall. Durchschnittlich ereignet sich derzeit jeden Tag ein Angriff in Südafrika. Bisweilen werden dabei Hunderte Schüsse abgefeuert. „Vor einem Jahrzehnt hatten wir es in Südafrika vielleicht mit zehn Gruppen zu tun, die Überfälle begangen haben – jetzt sind es über Hundert“, sagte Prinsloo, „die Situation ist außer Kontrolle. Das klingt alles nach Hollywood, ist aber leider die Realität.“

In Südafrika spielt das Bargeld trotz einiger bemerkenswerter Innovationen bei mobilen Bezahlsystemen eine größere Rolle als in den Industrienationen. Die meisten Südafrikaner machen nur eine Hand voll Überweisungen pro Monat, das Konto hat so mancher lediglich, weil es Bedingung für eine Anstellung oder die Auszahlung von staatlichen Sozialleistungen ist. Sobald diese eingeht, heben viele den Betrag mit einem Schlag ab und bezahlen ihre täglichen Besorgungen mit Bargeld – nicht zuletzt aus Angst vor Kreditkartenbetrug.

An den Bankautomaten muss also regelmäßig im großen Stil aufgefüllt werden. Schließlich ist die höchste Banknote, der 200-Rand-Schein, nicht einmal 13 Franken wert. Entsprechend präsent sind die Bargeldtransporter im Alltag. Und offensichtlich als Ziel für gut organisierte Verbrechersyndikate. „Wir sehen zunehmend den Einsatz von Sprengstoffen“, sagte Gareth Newham von der Denkfabrik „Institute for Security Studies“ (ISS) dem Radio-Sender „Cape Talk“, „das sind Vollprofis – und sie schrecken vor Gewalt nicht zurück.“

Wenig überraschend also ist in dem viralen Video besonders Prinsloos jungen Kollegen Mtombeni, 32, die Angst anzumerken. Wie versteinert sitzt dieser neben dem erfahrenen Ex-Polizisten, der im Kugelhagel mit dem Fahrzeug fast einige der lauernden Räuber am Straßenrand überfährt, dann einen ihrer Wagen von der Straße rammt und schließlich anhält, um mit einer Maschinenpistole den Rest der Bande zu vertreiben. 

Dafür gab es auch den ein oder anderen spöttischen Kommentar von Internet-Nutzern. Einen Vorwurf kann man Mtombeni wegen seiner eher passiven Rolle in der filmreifen Angelegenheit aber wohl kaum machen. Es war gerade einmal sein 4. Arbeitstag für die Firma. „Lloyd hat sich den Umständen entsprechend gut verhalten“, sagte Prinsloo, „in der Situation zählte vor allem, die Ruhe zu bewahren.“ Auf die Meinung von „Tastatur-Kriegern“, wie er die Internet-Trolle nennt, gebe er ohnehin nichts. 

Beide arbeiten längst wieder. Von einer Aufarbeitung des Schocks durch einen Psychologen hält Prinsloo wenig. „Wir haben unsere eigene Art, damit umzugehen“, sagte er. Gespräche mit Kollegen etwa, das Wiedererleben der Emotionen. Und es sei gut zu wissen, dass sie ihren Job letztlich erfolgreich erledigt hätten: „Wir haben die Ware beschützt.“